4.2 Gemessene Eigenschaften
Messung in typischen Nutzungs-Situationen
Im ausgewählten Raum wurden typische Unterrichts-Situationen als Meßaufbau nachgestellt:
Stehender Sprecher an der Tafel und am Tisch sitzender Sprecher, jeweils mit verschiedenen
Hörer-Positionen. Messungen erfolgten sowohl mit 1 Person (dem Experimentator) im Raum,
als auch mit insgesamt 17 Personen im Raum, was der Hälfte der maximalen Besetzung
entspricht (siehe Foto). Gemessen wurden binaurale Raumimpulsantworten, aus denen neben
den Nachhallzeiten auch andere Qualitätsmaße abgeleitet werden können. Die Methode ist in
[Hennings 2007] im Einzelnen beschrieben.

Foto: D. Hennings
Nachhallzeiten charakterisieren den Raum als Ganzes
Die nachfolgende Grafik zeigt aus gemessenen Raumimpulsantworten abgeleitete Nachhallzeiten
mehrerer Messungen übereinander gezeichnet. Es sind T-30-Nachhallzeiten, dabei wird das
Abklingen nur bis -30dB gemessen statt bis -60dB, und anschließend die ermittelte Abklingzeit
verdoppelt. Das verringert die Empfindlichkeit der Messung für Störgeräusche.
Die Ergebnisse zeigen einen sehr gleichmäßigen spektralen Verlauf der Nachhallzeiten
sowohl im fast leeren als auch im teilbesetzten Zustand. Die Abhängigkeit der Ergebnisse
vom Ort ist gering. Lediglich bei tiefen Frequenzen, wo Raum-Eigenschwingungen einen erheblichen
Einfluß haben können, steigt die Streuung der Werte. Die Meßergebnisse für den teilbesetzten
Raum liegen knapp über der Empfehlung der alten DIN 18041 von 1968, die bei der Planung des
Gebäudes noch gültig war und noch keine Differenzierung nach Nutzungsarten enthielt. Bei
tiefen Frequenzen ist ein leichter Anstieg zu sehen, eine Konsequenz davon, daß keine
besonderen Tiefen-Absorber eingesetzt wurden, sondern die Tiefen-Absorption einfach den
Leichtbau-Wänden überlassen wurde.
Merklichen Einfluß auf die Nachhallzeiten haben die Personen im Raum, deutlich weniger
dagegen der Ort der Messung im Raum. Das bedeutet, daß die Nachhallzeiten geeignet sind
um einen Raum als ganzes zu bewerten, wenig dagegen um zwischen verschiedenen
Übertragungsstrecken zu differenzieren, beispielsweise Hörer näher
oder weiter entfernt vom Sprecher.
Schwerpunktzeiten bewerten bestimmte Übertragungswege
Aus den gemessenen Raumimpulsantworten wurden auch Schwerpunktzeiten Ts
abgeleitet (vgl. [ISO 3382]). Schwerpunktzeiten sind ein universellerer Nachfolger
der herkömmlichen Deutlichkeits- und Klarheits-Maße und beschreiben die zeitliche
'Verschmierung' von Sprache oder Musik in einem Raum. Je kleiner der Wert, umso klarer
die Musik, umso deutlicher und besser verständlich ist die Sprache. Für Sprache soll die
Schwerpunktzeit kleiner 80 ms sein (vgl. [Fasold, Veres 1998]), gute bis sehr gute
Übertragungsqualität entspricht Werten unter 50 ms.
Die Grafik unten zeigt nebem einem Abfall von tiefen zu hohen Frequenzen einen deutlichen
Einfluß der Entfernung zwischen Sprecher und Hörer. Bei geringer Entfernung (L1M1, blaue
Kurven) sind die Werte deutlich geringer als bei größerer Entfernung (L1M2, grüne Kurven).
Die Meßwerte besagen also, daß die Übertragungsqualität merklich von der Entfernung abhängt.
Andererseits ist den Messungen zufolge der Einfluß der Personenzahl geringer.
Mit ergänzenden Maßen wie den Schwerpunktzeiten können also aus den Messungen zusätzliche
Qualitäts-Informationen gewonnen werden, die in den Nachhallzeiten nicht enthalten sind.
Allerdings lassen sich andere Maße in der Planung nicht so leicht mit einer Formel
vorherberechnen, wie dies bei Nachhallzeiten der Fall ist. Daher sind sie als
Planungsgrößen aufwendigeren Projekten vorbehalten, in denen mit Simulation
oder mit Messung an Modellen gearbeitet wird. Meßtechnisch sind diese Maße
dagegen mit heutiger Meß-Software recht einfach zu ermitteln.
Auralisation
Die gemessenen binauralen Raumimpulsantworten sind auch Basis der folgenden Hörproben, so daß
diese 'gemessenen' Hörproben Raumeindrücke geben, die genau den obigen Meßwerten entsprechen.
Anm.: Leider funktioniert die Hörproben-Wiedergabe nicht in allen Browsern korrekt.
Empfehlung: Mozilla Firefox oder Seamonkey (www.mozilla.org); Java muß installiert sein.
Eigenfrequenzen kritisch aber gut bedämpft
Beide horizontale Abmessungen des Raums liegen im Bereich 7.85 m +/-0.2 m und damit
nahe beieinander, so daß die zu diesen Raumrichtungen gehörigen longitudinalen
Eigenfrequenzen nahezu zusammenfallen. Es besteht also ein Risiko ausgeprägter
Raumresonanzen, zumal bei knapp 110 Hz die Eigenfrequenzen 5. Ordnung der beiden
horizontalen Achsen mit der 2. Ordnung der vertikalen Achse zusammenfallen; desgleichen
bei Vielfachen dieser Frequenzen. Eine ausgeprägte Resonanz bei 110 Hz wäre besonders
kritisch, da sie in den Grundtonbereich von Männerstimmen fällt.
Das beispielhafte Übertragungs-Spektrum des Raums in der Grafik unten zeigt zwar
eine Vielzahl von Eigenfrequenzen, die jedoch durchweg eher schwach ausgeprägt sind.
Die Bedämpfung des Raums bei tiefen Frequenzen reicht also aus um störende
Raumresonanzen zu verhindern.
Höreindrücke entsprechen den Meßergebnissen
Den gezeigten Meßergebnissen entspricht der Höreindruck, daß der Raum
insgesamt ausgewogen klingt und auch nicht zum 'Dröhnen' neigt. Eine informelle
Befragung von Lehrern und Schülern der Schule ergab ebenfalls, daß die
Räume als akustisch angenehm empfunden wurden und daß Sprache sehr gut
zu verstehen ist.